Das Tempelhofer Feld - "eine Berliner Ikone der Grünentwicklung"

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Foto: Prof. Dr. Aletta Bonn (privat)


Interview mit Prof. Dr. Aletta Bonn - Berlins Landesbeauftragte für Naturschutz und Landschaftspflege

Frage:
Seit Sie im Amt sind, haben Sie unter anderem auch einen Beiratsbeschluss zu einer potentiellen Randbebauung auf dem Tempelhofer Feld auf den Weg gebracht und an dem Bürgerdialog (Dialogprozess Tempelhofer Feld) teilgenommen. Können Sie den Kern Ihrer Empfehlung zusammenfassen?

Prof. Dr. Aletta Bonn
Der Sachverständigenbeirat für Naturschutz und Landschaftspflege fordert den Berliner Senat auf, auf jegliche Bebauung oder Veräußerung des Tempelhofer Feldes zu verzichten und stattdessen seine großen Wertigkeiten zu fördern und zu entwickeln. Die Entscheidung für den Erhalt der Freifläche per Volksentscheid verleiht dem Tempelhofer Feld Gesetz eine hohe Legitimität. Der Bürgerdialog im Herbst diesen Jahres hat dies noch einmal einhellig bekräftigt: die Bürgerinnen und Bürger möchten keine Bebauung. Sie befürworten eine sozial- und naturverträgliche Weiterentwicklung für Klimaschutz, Erholung, Natur und Gesundheit.

Berlin braucht dringend Grün. Der äußere Wiesenring wird für Spiel und Sport, soziales Miteinander und Erholung ausgesprochen intensiv genutzt, und dient der physischen und psychischen Gesunderhaltung der Bevölkerung. Das Tempelhofer Feld besitzt zudem eine mittig liegende Kernzone, das Wiesenmeer, mit außergewöhnlich hohem Wert für die Flora und Fauna. Die große offene Fläche ist dabei eine der wichtigsten nächtlichen Berliner Kühl-Inseln. Das Feld hat daher eine große Bedeutung für Klimaschutz, Klimaanpassung und für die Hitzevorsorge in den angrenzenden stark verdichteten und hitzebelasteten Stadtquartieren von Neukölln, Kreuzberg und Tempelhof.

Die Menschen in Berlin haben sich somit bewusst für die Lebensqualität an diesem besonderen Ort entschieden – eine Berliner Ikone der Grünentwicklung.


Frage:
Was ist ihre Vision von einem Berlin 2050 und welche Rolle kann das Tempelhofer Feld dabei haben?


Prof. Dr. Aletta Bonn
Berlin ist bereits eine der grünsten Städte mit vielen blauen Oasen mit Flüssen und Seen - eine der attraktivsten europäischen Hauptstädte. Wir haben viele Erfolgsgeschichten mit z.B. inzwischen 50 Biberpaaren in der Stadt. Diese Entwicklung sollten wir fortführen.

Mit dem globalen Berlin Urban Nature Pakt, der gerade von der Senatsverwaltung auf der Weltnaturschutzkonferenz in Kolumbien gelauncht wurde, hat Berlin Weltrang in der Leitung dieser internationalen ambitionierten Städtepartnerschaft. Hier sind wir Vorbild vor allem im Bereich Umweltbildung, und Berlin kann zeigen, wie lebendige grüne Städte auch Publikumsmagnete und angesagte Vorbilder für Stadtentwicklung sind.

Das Tempelhofer Feld ist mit einer Größe von rund 304 ha eine der größten zentrumsnahen Freiflächen in Berlin und auch international bedeutsam und bekannt – vergleichbar mit dem New Yorker Central Park. Es zeigt, wie soziales Miteinander, Klima- und Naturschutz Hand in Hand gehen. Das Tempelhofer Feld ist ein Aushängeschild für Berlin.



Frage:
Welchen Einfluss hat Ihr Gremium, damit eine grüne Hauptstadt Realität wird?


Prof. Dr. Aletta Bonn
Wir beraten die Senatsverwaltung fachlich als unabhängiges Gremium mit Expertinnen und Experten aus verschiedenen Fachrichtungen aus Universitäten und Forschungsinstituten, Verbänden und Unternehmen. Wir begleiten beratend wichtige Planungsvorhaben und geben fachliche Einschätzungen, wie z.B. zum Erhalt von alten Friedhöfen als wichtige Natur- und Klimaoasen zur Erholung. Wir kommunizieren unsere Beschlüsse auch an das Abgeordnetenhaus.

Wir verstehen uns auch als Ideengeber, um Berlin als grüne Hauptstadt zu unterstützen. Der Beirat hat mit der Senatsverwaltung bereits viele schöne Entwicklungen mit auf den Weg gebracht, so z.B. den Langen Tag der Stadtnatur. Wir hoffen, wir können auch weiter proaktiv zur Entwicklung von Berlin als Grüner Hauptstadt beitragen.



Frage:
Einen Schwerpunkt Ihrer Forschungsarbeit bildet der Zusammenhang von Ökosystemfunktionen mit menschlicher Gesundheit und Wohlbefinden. Ihre Forschung zeigt, dass Biodiversität glücklich macht. Wie stark ist diese Erkenntnis in der heutigen Stadtplanung verankert?


Prof. Dr. Aletta Bonn
Wir wissen - der regelmäßige Aufenthalt in Grünflächen, ob zur Erholung oder auf dem Fahrradweg zur Arbeit trägt zu Stressabbau und Wohlbefinden bei. Auch Straßenbäume vor der Haustür sind wichtig für körperliche und seelische Gesundheit. Aber nicht alle Menschen in Berlin haben einfachen Zugang zu Grün.

Hier greift die Berliner Biodiversitätsstrategie und das neue globale Städte Bündnis ‚Berlin Urban Nature Pakt‘ mit konkreten Maßnahmen, die nun auch umgesetzt werden müssen. Dazu gibt es jetzt auch Rückenwind durch das neue EU Natur Wiederherstellungsgesetzes. Dabei können naturbasierte Lösungen sowohl zu Klimaschutz und Gesundheitsschutz in Berlin beitragen.

Hier können SenStadt und SenMVKU und auch die Senatsverwaltung für Gesundheit noch enger zusammenarbeiten, um z.B. bereits verabschiedete Ziele wie z.B. das Netto-Null-Versieglungsziel oder die Klimaanpassungsstrategie besser zum Wohl der Menschen umzusetzen. Bei Planung von neuen Kiezen sollten Natur, Klima und Gesundheit immer gleich mitgedacht werden. Ambitionierte Straßenbaum - Pflanzungen in einer sich erwärmenden Stadt können ebenfalls ein gesundes Berlin fördern.


Frage:
Sie haben vor, Bürgerinnen und Bürger stärker mit in die naturschutzfachliche Arbeit einzubeziehen, wenn es um die Erforschung von Flora und Fauna geht - Stichwort Citizen Science. Wie können sich z.B. Besucherinnen auf dem Tempelhofer Feld in solche Bürgerforschungsprojekte einbringen?


Prof. Dr. Aletta Bonn

In Berlin hat die Senatsverwaltung das Programm ‚Lass Berlin aufleben!‘ gestartet, bei dem sich alle Interessierten engagieren können. Eins der ersten Projekte ist das Citizen Science Projekt ‚Das Bunte Flattern‘ bei dem man mit der kostenlosen VielFalterGarten-App Schmetterlinge zählen und so einen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt leisten kann. Wir freuen uns über alle Beobachtungen!

Ich würde mich freuen, wenn wird noch weitere Citizen Science Projekte mit einem Partner Netzwerk für einen ‚Lebendigen Atlas Berlin‘ starten, um so unser lebendiges Berlin kennenzulernen und auch nachhaltig zu schützen.



Prof. Dr. Aletta Bonn ist im November 2023 als neue Berliner Landesbeauftragte für Naturschutz und Landschaftspflege berufen worden. Sie hat damit den Vorsitz des Sachverständigenbeirates für Naturschutz und Landschaftspflege - einem beratenden Gremium aus Expertinnen und Experten. Das Amt gilt fünf Jahre.

Als Landesbeauftragte berät sie die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt in fachlichen und wissenschaftlichen Fragen des Naturschutzes und der Landschaftspflege und wirkt damit bei ausgewählten Entscheidungen mit.

Als Wissenschaftlerin leitet sie die Abteiligung Ökosystemleistungen am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und vertritt die gleichnamige Professur an der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Rahmen des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv).

»Beiratsbeschluss – NL-02-07-24 - Vorhaben der potentiellen Randbebauung auf dem Tempelhofer Feld und dem vorbereitenden Dialogprozess
» Berlin Urban Nature Pakt
»Infos zum Projekt 'Das bunte Flattern' und der VielFalterGarten-App