Tempelhofer Feld – Freiraum, Lebensraum, Spannungsraum
(Text von Stefan Braatz vom Planungsbüro Förster)

Foto: Planungsbüro Förster
Das Tempelhofer Feld ist mehr als ein großer grüner Freiraum im Herzen Berlins. Es ist ein Ort der Bewegung, der Begegnung und auch der biologischen Vielfalt. Auf dem ehemaligen Flughafengelände trifft Geschichte auf Gegenwart, trifft Freizeit auf Naturschutz, trifft Großstadt auf sensible Lebensräume von Tieren und Pflanzen. Aus Sicht der Landschaftsplanung stellt sich das Areal als ein komplexer Raum dar, in dem Pflege, Schutz und Nutzung klug aufeinander abgestimmt werden müssen.
Tritt man von einer der lauten umgebenden Straßen auf das Tempelhofer Feld durch eines der vielen Tore, befindet man sich gleich wie auf einer großen Bühne, die alle Sinne anspricht und Stadt und Land miteinander verwebt. Die Weite, die Ruhe, das sicht- und spürbare Wetter, die wogenden Grasflächen, die Besonderheiten im Großen und Kleinen, die Vielfalt an Menschen, Pflanzen und Tieren. Wenn die Feldlerche aus den Wiesen aufsteigt und laut ihr Revier markiert, dann weiß man „es wird endlich Sommer“, wenn das Gewitter heranzieht, dann sieht man es schon von Weitem.

Foto: Planungsbüro Förster
Pflegeplanung und Herausforderungen der Fläche
Als Ergebnis der im regelmäßigen Turnus aktualisierten Bestandaufnahme von Flora und Fauna (Monitoring) konnte durch die Fachgutachter ein differenziertes Pflegekonzept zum Erhalt und zur Entwicklung dieser Biotope und Lebensräume auf dem Tempelhofer Feld entwickelt werden, das den verschiedenen Artengruppen möglichst gerecht werden soll.
Das Planungsbüro Förster wurde im Jahr 2022 von der Grün Berlin als „Ökologische Pflegebegleitung“ beauftragt, die Funktion des Bindeglieds zwischen der Grün Berlin GmbH, den für das Tempelhofer Feld beauftragten Pflegefirmen und dem Naturschutz bzw. Feldkoordinatoren herzustellen. Ziel ist es, die fachgerechte Pflege gemäß des Pflegeplanes zu sichern, zu koordinieren, Fehlentwicklungen nach zu steuern oder notwendige bzw. geänderte Maßnahmen mit den Fachgremien abzustimmen.
Die Pflege erfolgt durch ein differenziertes Mahdregime, durch extensive Beweidung sowie punktuelle Gehölzpflege. Die offenen Wiesenflächen werden in großen Teilen nur einmal bis zweimal jährlich gemäht, um bodenbrütende Vogelarten wie die Feldlerche zwischen März und August zu schützen. Einige Flächen mit Staudenfluren werden über mehrere Jahre in Ruhe gelassen um verschiedene Entwicklungsstadien zu fördern. Die Beweidung mit Schafen im Süden des Tempelhofer Feldes dient nicht nur der Landschaftspflege, sondern hat einen hohen sozialen Stellenwert und eine große Beliebtheit bei den Besuchern. Zahlreiche Gras- und Staudensäume stellen wichtige Verbindungs- und Überwinterungsstrukturen für Insekten oder bodengebundene Tierarten dar und werden nach Möglichkeit über den Winter stehen gelassen.
Die Aufgabe der Ökologischen Pflegebegleitung ist es den Gesamtplan, die Pflegezeiträume und vor allem das Ziel im Auge zu behalten und rechtzeitig Fehlentwicklungen festzustellen.

Biodiversität auf dem Tempelhofer Feld
Trotz oder gerade wegen seiner urbanen Lage ist das Tempelhofer Feld ein wichtiger Hotspot für Biodiversität in Berlin. Dabei ist die Vielfalt an Arten oft im Kleinen zu finden, in den Fugen der bröckelnden Platten, zwischen den Trampelpfaden im Umfeld des Alten Hafens oder an den Rändern von Zaunanlagen und Gebüschen. Die weitläufigen Offenlandbereiche mit ihren grasdominierten Wiesen bieten dafür Lebensraum für spezialisierte Arten, die andernorts durch Bebauung, Verdichtung und intensive Landwirtschaft verdrängt wurden.
Im Zentrum steht hier die Feldlerche, die auf dem Tempelhofer Feld noch ausreichend Lebensraum findet und in großen Zahlen vorkommt. Neben Vögeln profitieren aber auch viele Insektenarten vom extensiv gepflegten Offenland, darunter Wildbienen, Heuschrecken und Schmetterlinge. Die Artenvielfalt ist ein wertvolles Kapital, das besonderen Schutz verdient wobei immer darauf zu achten ist, dass dominante Arten nicht überhandnehmen und andere Arten verdrängen.

Foto: Planungsbüro Förster
Nutzungsintensität und Konfliktlagen
Die Beliebtheit des Tempelhofer Feldes ist Fluch und Segen zugleich. An Sommertagen tummeln sich tausende Menschen auf den Flächen, betreiben Sport, grillen und feiern. Diese intensive Nutzung führt zwangsläufig zu Konflikten mit dem Naturschutz.
Besonders problematisch ist auch das Betreten der Schutzbereiche, in denen die Feldlerchen brüten. Trotz Beschilderung und Absperrungen zwischen März und August kommt es immer wieder zu Störungen. Hunde, Flugobjekte oder unachtsame Besucher können, häufig aus Unkenntnis, Bruterfolge erheblich gefährden.
Ein weiteres Spannungsfeld ist die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit. Viele Menschen sehen im Tempelhofer Feld inzwischen einen Frei-Raum ohne Zwänge und Regeln, ein Feld, das alleine der Nutzung dient. Gleichzeitig gibt es klare naturschutzfachliche Anforderungen, die einer unregulierten Nutzung entgegenstehen. Diese Ambivalenz erfordert immer wieder eine kluge Kommunikation, transparente Regelwerke und das ständige Abwägen zwischen Erhalt und Ermöglichung. Eine wichtige Rolle spielt hier auch die Umweltbildung, für die das Tempelhofer Feld ein breites Spektrum bietet und in die die Ökologische Pflegebegleitung immer wieder integriert wird.

Foto: Planungsbüro Förster
Fazit und Ausblick
Das Tempelhofer Feld ist ein einzigartiger Raum, der beispielhaft zeigt, wie städtische Freiflächen gleichzeitig Erholungsraum für den Menschen und Rückzugsort für bedrohte Arten sein können. Voraussetzung dafür ist eine behutsame, fachlich fundierte Pflege, ein Management der Nutzung und eine transparente Kommunikation. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie tragfähig die gegenwärtigen Konzepte auch für die Pflege sind. Der Klimawandel, die steigenden Nutzungsansprüche sowie Kosten und die zunehmende Personalknappheit werden Anpassungen notwendig machen. Nur wenn wir Nutzung und Schutz in Einklang bringen, bleibt das Tempelhofer Feld ein beliebter Ort der Vielfalt – biologisch wie gesellschaftlich. – und einzigartig auf der Welt.
Stefan Braatz vom Planungsbüro Förster begleitet seit 2022 das Pflegemanagement auf dem Tempelhofer Feld.