Mehr als die Summe der einzelnen Teile: Der Wert des Tempelhofer Feldes
Schon gewusst? Das Tempelhofer Feld ist das einzige „ruhige“ Gebiet nahe des Berliner Zentrums, also eine über 300 Hektar große Naturfläche mit geringer Lärmbelastung. Die positiven Effekte, die das Feld auf die leibliche Gesundheit hat, fangen damit erst an.
Diese und viele weitere Erkenntnisse, wie wertvoll das Tempelhofer Feld, seine Natur und seine Räume für uns Bewohner*innen ist, sind jetzt in einer wissenschaftlichen Studie des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig belegt und erläutert. Im Auftrag der Senatsverwaltung für Verkehr, Umwelt und Klimaschutz haben die Wissenschaftler unter dem Titel „Zur gesellschaftlichen Wertigkeit des Tempelhofer Feldes – Qualitäten erfassen und sichtbar machen“ den aktuellen Status und den Wert des Feldes für die verschiedenen Nutzer*innen erfasst und beschrieben. Klar wird: Um die Bedeutung der rund 300 ha großen Fläche des Tempelhofer Feldes für die Stadtgesellschaft zu ermessen, müssen fast so viele Standpunkte eingenommen werden, wie es Nutzer*innen gibt. Das Feld wurde in der Studie unter folgenden Gesichtspunkten betrachtet:
Der physische Raum
Die Weite und Größe des Tempelhofer Feldes beeindrucken jeden Besucher. 303 Hektar, das sind rund 424 Fußballfelder. Wer vom Westeingang am Tempelhofer Damm zum Osteingang an der Herrfuthstraße radelt, kann gut eine Viertelstunde in die Pedale treten – Gegenwind garantiert. Die Fläche beeindruckt auch, weil sie auf den ersten Blick – anders als in üblichen Stadtparks – kaum gartenbaulich gestaltet zu sein scheint. Hier gibt es Flughafenstrukturen neben dem wild-natürlichen Wiesenmeer und zum Verweilen einladenden Baumgruppen.
Urbane Natur
Vom unbebauten Feld profitiert ganz Berlin. Es sorgt für den nötigen Luftaustausch. Die Bäume und Pflanzen filtern den Staub aus der Luft, Regenwasser kann hier versickern. Zudem kühlt das Feld nachts ab, so dass sich frische Luft wieder ausbreiten kann und die angrenzenden Bezirke belüftet. Die Artenvielfalt ist beeindruckend. Während deutschlandweit die Population der Feldlerche in den letzten 40 Jahren um bis zu 90 Prozent geschrumpft ist, hat sie sich mit 224 Reviere eine feste Heimat auf dem Tempelhofer Feld erobert. Noch wichtiger vielleicht: Das Feld ist außerdem ein wichtiger Lebensraum für eine bunte und sehr artenreiche Insektenwelt.
Mensch-Natur-Beziehung
Auch wenn es gar nicht auffällt, so ist das Tempelhofer Feld in viele verschiedene Zonen unterteilt: Es wird Sport getrieben, Ruhe gesucht, Natur beobachtet - ein Möglichkeitsraum für seine Besucher*innen. Es ist Berlins größte informelle Sportstätte und ein Ort für Naturerfahrung, Umweltbildung und Kultur. Die Berliner*innen wissen es zu schätzen - im September 2020 kamen durchschnittlich 28.000 Besucher*innen pro Tag aufs Feld.
Begegnung und Austausch
Die angrenzenden Quartiere sind durch hohe Bevölkerungsdichte und soziale Problemlagen geprägt. Das Tempelhofer Feld versorgt an seinem Standort die Nachbarn mit dem nötigen „Freiraum“. Wissenschaftlich ausgedrückt: „Das Feld trägt zur Umweltgerechtigkeit bei, erzeugt Verbundenheit und Identifikation unter seinen Nutzer*innen.“ Und auch darüber hinaus begegnen sich hier Menschen, suchen den Austausch, verfolgen gemeinsame Hobbies, genießen die Natur wie einen eigenen Garten. Gemeinsam etwas zu gestalten und zu erleben fördert dabei die Integration.
Aushandlung und öffentliche Wahrnehmung
Das Tempelhofer Feld ist auch ein „Ort gelebter Demokratie“. Über das Beteiligungsmodell gestalten gewählte bürgerschaftliche Vertreter*innen das Tempelhofer Feld von Beginn an mit und Engagierte können eigene, gemeinwohlorientierte Projektideen einbringen und umsetzen.
Rückblick auf 2020
Während der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr wurde die Leistungsfähigkeit des Feldes nochmals eindrucksvoll belegt. Das Tempelhofer Feld war für viele Berliner*innen der naturnahe, erreichbare Freiraum während des Lockdowns. Vielfältige Aktivitäten wurden aufs Feld verlegt und trotz erhöhter Besucherzahlen gab es genügend Raum für die sichere Begegnung mit Abstand.
Das Fazit des UFZ-Teams
Als zentraler Ort des Berliner Stadtgrüns ist das Tempelhofer Feld, ein Optionsraum z.B. mit Blick auf den Klimawandel und die Minderung seiner Folgen. Es stärkt Gesundheit und Lebensqualität seiner Besucher*innen, ist ein Element kommunaler Daseinsvorsorge und bedeutsam für Positionierung im Wettbewerb zwischen Städten. „Die besondere Wertigkeit des Tempelhofer Feldes steigert sich durch das Zusammenwirken der genannten Ebenen. Das Ganze ist viel mehr wert als die Summe seiner Einzelteile“, sagt Ulrike Tröger, Landschaftsökologin und federführend an der Wertigkeitsstudie beteiligt.
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